Mittwoch, 7. März 2018

'Overtourism' oder Kulturreisen mit ausgewählten Inhalten?

Pünktlich zum Start der Internationalen Tourismus Börse in Berlin wird seit ein paar Tagen in der Presse der Begriff 'Overtourism' thematisiert. Gemeint sind Touristen, die sich in Massen an bekannten Sehenswürdigkeiten tummeln. Dabei geht es nicht um Gäste, die sich in Reisezielen wie Berlin, Barcelona, Paris und anderen nicht wie Gäste benehmen und Einheimische mit rüpelhaftem Benehmen verärgern. Es geht schlicht um die Massen, verstärkt durch den Airbnb-Effekt, dass sich Besucher zunehmend in Wohngebieten tummeln. Diese Auswirkungen werden noch zunehmen wenn zunehmend Gäste aus aufstrebenden Ländern wie in Asien auf Reisen gehen.

Um die Touristenströme zu regulieren werden verschiedene Lösungsansätze vorgeschlagen. In DER WELT wird der Mitbegründer von 'GetYourGuide' mit der Aussage zitiert: „Ein unbeschränkter Gratiszugang, wie er zum Beispiel bei manchen staatlichen Museen geboten ist, fördert demgegenüber natürlich eher Overtourism.“ Als Alternative schlägt er eine 'Steuerung über Preise und Kontingente' vor. Aber sollen Kulturgüter wirklich vor allem den zahlungskräftigen Gästen zugänglich sein?

Zeitlich und zahlenmäßig begrenzten Zugang gibt es bereits an einigen Sehenswürdigkeiten. Für das Anne-Frank-Haus in Amsterdam z. B. kann der Besuch nur für einen begrenzten Zeitraum gebucht werden. Verpasst man den gebuchten Termin, verfällt das Ticket. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die Räume in dem eng gebauten Gebäude nicht überfüllt sind. Ähnliche Systeme kommen auch bei anderen Museen und Kulturgütern zum Einsatz. Für Kurzentschlossene bleibt da nur eine geringe Chance.

Doch gehen wir der Sache an die Wurzel. Woran liegt es, dass bestimmte Sehenswürdigkeiten und Reiseziele überlaufen sind? Die Antwort ist die gleiche, warum es regelmäßig zum Ferienbeginn Staus gibt - zu viele machen und wollen dasselbe.

Bei Klassenfahrten und Kulturreisen muss nicht die Top-Attraktion des Reiseziels im Vordergrund stehen. Als ich in London vor dem London Eye die Warteschlange gesehen habe, habe ich darauf verzichtet. Ein Ausblick auf London ist auch woanders möglich und im Zweifel auch entbehrlich.

Die Tourismusbranche fördert natürlich den Besuch ihrer Attraktionen. Auch dieses Jahr werden die Tourismusbüros ihr Reiseziel auf der ITB präsentieren und das zeigen, was der Besucher erwartet. Würde der London-Stand mit Modellen des Thames Barrier oder dem Imperial War Museum werben, würden das die Besucher nicht erkennen und nicht würdigen. Dabei sind auch die weniger bekannten Sehenswürdigkeiten würdig zu sehen.

Fangen wir bei uns an. Hinterfragen wir, was wir erleben möchten und wo das zu finden ist. Seien wir offen für Neues und Unbekanntes anstatt die Top5 des Reiseführers abzuarbeiten. Trauen wir uns doch, Gebiete zu entdecken, die nicht international vermarktet sind.

Nehmen wir uns Zeit, die Eindrücke auf uns wirken zu lassen. Im Gewühl von für 'Selfies' posierenden Besuchern und im Spießrutenlauf zwischen einem Heer an 'Selfie-Sticks' läßt sich das Flair von Schloss Neuschwanstein kaum erfassen. Fahren Sie aber einmal abends dorthin und betrachten Sie das Schloss im Mondschein - sie werden erstaunt sein, wie nahe Ihnen König Ludwig im Geiste kommt.

Sehenswürdigkeiten und Museen empfehle ich, nur mit Führung (Audio-Guide oder Live) zu besuchen. Jedem Nicht-Fachmann entgehen sonst zuviele Details und der Eindruck ist ohne diese Informationen lange nicht so nachhaltig. Wir wollen doch nicht nur sagen können, wir haben eine Liste an Terminen abgehakt. Nach einer Kulturreise oder Klassenfahrt sollte man um Eindrücke und Erkenntnisse reicher sein und diese erklären können.

Sie glauben nicht, dass es interessante Alternativen gibt? Fragen Sie mich ruhig :-)

Georg Langbehn ist Verkaufsleiter bei ix-tours Studienreisen und beschäftigt sich vor allem mit Reisen zu den Themen Geschichte, Literatur, Malerei und Architektur




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